„Mache dich auf. Werde Licht. Denn dein Licht kommt.“
Pastor Johannes Frey

Predigt über Jesaja 60,1-6 am Tag der Erscheinung Christi (6.1.) 2021 in der Kirche zu Winterlingen

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Hört Gottes Wort aus dem Propheten Jesaja im sechzigsten Kapitel:
1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
3 Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. 4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden.
5 Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.
Wort des lebendigen Gottes. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn Jesus Christus,
ich weiß nicht, wie Sie auf dieses neue Jahr schauen. Aber ich weiß, daß manche ziemlich schwarz sehen. Unser Bibelwort scheint ihnen buchstäblich ins Schwarze zu treffen:

"Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker."
Ist es nicht so? Im Lockdown hat das Jahr begonnen. Und die nächste Verlängerung und die übernächste sind schon angekündigt. Und was daraus werden soll, weiß niemand – jedenfalls nichts gutes. Und wer Licht am Ende des Tunnels sieht, wird als verantwortungsloser Träumer angesehen.
Aber vielleicht haben Sie noch ganz andere Sorgen.
Ich denke an den Mann, der mir am Sonntag berichtete, daß er er mit heftigen Beschwerden ins Krankenhaus mußte und daß nach Wochen immer noch kein Arzt weiß, woran es liegt. Vor allem weiß keiner, was man dagegen tun kann. Er weiß nicht,was mit ihm geschieht. Er weiß nicht, ob er jemals wieder nachhause kommen wird.
Und wie viele leiden nicht so sehr unter der Angst vor Corona, dafür aber um so mehr unter der Einsamkeit. Die Menschen, die ihnen Heimat bedeuten, sind unerreichbar. Sie werden heimatlos in der eigenen Wohnung.
Gerade in solch eine Situation spricht dieses Wort Gottes. Es spricht zu Menschen, die verbannt sind. Israeliten, die im Krieg in ein fremdes Land verschleppt worden sind. Die nicht wissen, ob sie ihre Heimat noch einmal wiedersehen werden.
Sie leben in einer multikulturellen Gesellschaft, in der alle möglichen Götter verehrt werden. Nur der wahre Gott interessiert niemanden.
Erleben wir es heute nicht ähnlich: Esoterik findet mehr Zuspruch als der christliche Glaube. Wer noch an den Schöpfer glaubt, wird oft belächelt. Wer für Gottes Gebote eintritt, kann froh sein, wenn er nur Spott und nicht offene Feindschaft erntet.
Gottesfinsternis hat sich um uns her ausgebreitet.
Aber wenn es tatsächlich so ist, wenn wir tatsächlich im Dunkeln sitzen, dann sind wir ja heute gemeint. Dann ist diese Botschaft ja gerade für uns bestimmt. Gott spricht in unsere Dunkelheit: "Mache dich auf, werde Licht!"
Du mußt nicht im Dunkeln sitzen bleiben. Es liegt bei dir. "Mach dich auf!"
Aber wenn mir das einer in sternenloser Neumondnacht sagt, dann ist das wenig ermutigend. Eher zynisch.
Aber vielleicht ist es auch ganz anders.
Die Frau sagt zum Mann: "Mach mal hell." Er tastet nach dem Schalter. Drückt. "Geht nicht. Kein Strom. Ich hole eine Kerze und Feuer." Springt aus dem Bett. Knallt gegen den Schrank. Findet eine Schublade. Keine Kerze. Kein Feuer. Nächste Schublade. "Aua!" Das war sein Knie.
Sagt die Frau: "Mach doch erst mal den Rolladen hoch." Er hält inne. Tastet nach dem Riemen. Zieht. Und: Licht durchflutet den Raum.
Das Licht war die ganze Zeit da. Es kam nur nicht rein.
Gott sagt nicht: "Auf! Mach Licht!" Er sagt: "Dein Licht kommt."
Es mag noch Nacht sein. Aber im Osten graut schon das Licht des neuen Morgens. Nur – wenn du immer auf den Boden starrst, dann siehst du es nicht.
Erinnert euch an Kain. Ich sehe noch vor mir das Bild in der Kinderbibel, wie die beiden Brüder Kain und Abel ihre Opfer bringen. Der Rauch von Abels Opfer steigt senkrecht nach oben – ein Bild für seine Beziehung zu Gott. Aber der Rauch von Kains Opfer kräuselt sich am Boden zusammen – auch das ein Bild seiner Beziehung zu Gott.
Kain wird neidisch auf Abel. Der hat offenbar den direkten Draht zu Gott. Für Kain ist Gott fern und unzugänglich. Aber der kleine Bruder hat einen Platz an Seinem Herzen. Er ist bei Gott willkommen. Kain wird zurückgewiesen.
Abel wird geliebt. Kain ist ungeliebt. Der kleine Bruder wird bevorzugt.
Das ärgert Kain. Und je mehr er drüber nachdenkt, wie ungerecht das ist, desto größer wird sein Ärger. Und aus dem Ärger wird Wut. Und aus der Wut wird Hass.
Kennen Sie solche Gefühle? "Wenn ich dich kriege, dann mach ich dich fertig!"
Wissen Sie, was Gott zu dem Kain gesagt hat, als der an dem Punkt angekommen war? Er fragt ihn: "Warum guckst du auf den Boden?" Warum schaust du ins Dunkle. Wenn du so weitermachst, dann wird die Dunkelheit dich verschlingen.
Wenn er doch zu dem Bruder gehen könnte1 Wenn er ihm seine Not klagen könnte. Dann könnte er merken, daß er gar nicht ungeliebt ist. Dann könnte er erleben, daß der Bruder an seiner Seite steht. Er könnte die Gemeinschaft erleben. Er könnte rauskommen aus dem Dunkel von Neid und Ärger.
Er könnte ins Licht der Liebe finden – zuerst der Bruderliebe und dadurch zu Gottes Liebe.

"Mache dich auf. Werde Licht. Denn dein Licht kommt."
Aber Kain bleibt bei sich.
Das Licht ist da. Er sieht es nicht.
Die Liebe ist da. Er spürt sie nicht.
Er ist in sich selbst verschlossen. In seinem Neid und seinem Groll. Verschlossen gegen Gott und gegen den Bruder. Darum kann er das Licht nicht sehen.
Er meint, der Bruder stehe ihm im Licht. Darum schafft er ihn weg. Aber danach wird es nicht hell. Danach wird es für Kain endgültig dunkel. Nach dem Mord am Bruder ist nie mehr ein Lichtstrahl in Kains Herz gedrungen.
Als Gott ihn ansprach hat er die Tür nicht aufgemacht. Und dann war es zu spät. Was tust du, wenn Gott zu dir spricht?
Wird 2021 im Licht liegen oder in der Finsternis? Das hängt nicht vom Schicksal ab. Nicht einmal von Corona.
Es hängt von der Blickrichtung ab.
Selbst wenn Corona morgen vorbei wäre – es gibt noch genug dunkles für den der danach sucht. Genug dunkles, um das Jahr in Finsternis zu verbringen.
Aber wir müssen nicht im Dunkeln bleiben. "Mache dich auf. Werde Licht. Denn dein Licht kommt."
Komm ins Licht. Die Sonne geht schon auf!
Und das Wort weist uns sogar die Richtung.
Die letzten Worte unseres Abschnitts zeigen uns die Richtung zum Aufgang der Sonne:
"Sie werden kommen und Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen." Und zuvor hörten wir im dritten Vers: "Und die Völker werden zu deinem Licht ziehen und Könige zum Glanz, der über dir aufgeht."
Der Zusammenhang mit der Weihnachtsgeschichte ist so offensichtlich, daß wir es unseren Vätern nicht verdenken können, daß sie aus den Weisen aus dem Morgenland in der Überlieferung Könige gemacht haben.
Der, dem sie Gold und Weihrauch brachten, ist das Licht, das kommt. Er ist das Licht, zu dem wir uns aufmachen dürfen, um alle Finsternis hinter uns zu lassen.
Wenn wir ihm die Türe öffnen, wenn wir aufblicken, weg von dem, was uns nach unten zieht, aufblicken zu Jesus, dann muß das Dunkel weichen.
Martin Luther berichtet davon, wie ihm die Liebe Gottes im Angesicht Jesu Christi aufging. Und er sagt: Das war so , als ob ich aus einem dunklen Keller in das helle Licht der Mittagssonne gesprungen wäre.
Er sah das Kreuz. Er erkannte: Das tat Gott für mich! So sehr liebt Gott mich. Da ging für ihn die Sonne auf. Aber das tat Gott auch für dich!. Gott wurde ein Mensch – für dich! Er gab am Kreuz Sein Leben – für dich! In Christus ist er da – für dich!
Sie doch, wie er die Arme ausbreitet – für dich! Wenn Du Christus erkennst, wird es in dir und um dich hell.
Die Einsamkeit weicht und Gemeinschaft entsteht, wenn Augen und Herzen aufgehen für Jesus. Denn in seinem Licht gehen sie auch für den anderen auf.
Und wir beginnen, den anderen zu sehen, wie er wirklich ist.
Wir beginnen zu verstehen und wir hören auf zu verurteilen.
Denn statt auf den Boden zu sehen, wo wir immer nur unsere eigenen Urteile und Vorstellungen und Erwartungen finden und das, was die Leute über jemanden sagen,
statt auf den Boden zu sehen, schauen wir dem anderen in die Augen, und wir sehen ihn in dem Licht Jesu, im Licht seiner Liebe.
So laßt uns aufbrechen und Licht werden, laßt uns offen sein für Jesus Christus und ihn anschauen im Wort der Bibel.
Der Blickkontakt mit Jesus bringt das Licht in unsere Herzen und in unsere Beziehungen.
Und er sagt zu uns, die wir auf ihn sehen und auf ihn hören und ihm glauben: "Ihr seid das Licht der Welt. Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen."
Welche Berufung:!
Wir sind berufen, Licht in das Dunkel zu bringen – in das Dunkel von Einsamkeit, von Hoffnungslosigkeit, Licht in das Dunkel von Angst und Schuld.
Wir sind berufen das Lob Gottes in Traurigen Herzen zu entzünden.
Das kannst du nicht? Ich kann es auch nicht. Aber laßt uns nicht auf das schauen, was wir können – beziehungsweise nicht können.
Laßt uns stattdessen auf den sehen, der uns trotzdem dazu beruft!
Im Bericht von der Schöpfung lesen wir. "Und Gott machte zwei große Lichter. Ein großes Licht, das den Tag regiere. Und ein kleines Licht, das die Nacht regiere."
Uns ist klar, was gemeint ist. Das große Licht ist die Sonne. Das kleine Licht ist der Mond.
Aber halt: Ist die Bibel hier nicht im Irrtum? Der Mond ist doch gar kein Licht?! Stimmt.
Der Mond ist kalt und und tot schwarz und finster.
Und trotzdem nennt die Bibel ihn ein Licht. Ich glaube, das ist nicht ein Irrtum, auch nicht der Unwissenheit des biblischen Schreibers geschuldet, sondern das ist Gottes Absicht.
Gott wollte uns etwas lehren über Sein Wirken in dieser Welt
Und er wollte und etwas lehren über unseren Auftrag unter den Menschen. Und über unsere Möglichkeiten.
Oder besser gesagt: Gott wollte uns etwas lehren über Seine Möglichkeiten – und darüber, wie Seine Möglichkeiten unsere werden.
Der Mond ist kein Licht. Aber er wird uns zum Licht, so hell, daß wir auch mitten in der Nacht unseren Weg finden können.
Ihr wißt, wann der Mond zum Licht wird. Das geschieht, wenn die Sonne auf ihn scheint. Und ihr Widerschein erleuchtet unseren Weg.
"Mache dich auf, werde Licht." Lass dich von Christus erleuchten. Der Widerschein Seines Lichtes, der Abglanz Seiner Liebe wird auch andere Menschen bescheinen. Und ihren Weg erleuchten. Und auch ihre Finsternis nicht finster sein lassen.
So wird 2021 für uns ein Jahr im Licht sein und wir selbst werden Licht sein für diese Welt, Boten der Liebe und des Friedens für die Menschen, mit denen wir leben – in unserer Familie, in unserer Gemeinde, in unserem Ort.
"Mache dich auf. Werde Licht. Denn dein Licht kommt."
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.
Amen.
O Licht der wunderbaren Nacht


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